Von der Exkursion zum Tellberg und anderen Entdeckungen

Gesamt-Fahrstrecke: 1547 km

Tag 3: Von der niederländischen Provinz Overijssel über Ostfriesland ins Weserbergland

Fahrstrecke am Dienstag: 396 km

Nur wenige Kilometer nach dem Start von meiner Unterkunft in Tubbergen/NL habe ich wieder die nicht mehr erkennbare Grenze zu Deutschland überschritten und befinde mich im Emsland. Weite flache Moorgebiete prägen die Gegend und immer wieder tauchen diese Ölpumpen auf, die teilweise direkt neben den Wohnhäusern stehen. Rund um den Ort Twist erstreckt sich mitten im Bourtanger Moor das Ölfeld Rühle.

Verschiedene Firmen beuten hier das Öl aus. Ein großes Feldbahnnetz durchzog hier einst das Moor. Davon habe ich zwar auf meiner Reise nichts mehr gesehen, vielleicht war ich aber auch an den falschen Stellen unterwegs. Zumindest aber finde ich noch einen großen Haufen mit ausgemusterten Feldbahnschienen auf meiner Fahrt durch den Naturpark Bourtanger Moor-Bargerveen.

Bild: die alten Schienen der Moorbahn

Das Feldbahnnetz hatte einmal eine Länge von mehreren Kilometern und die noch vorhandenen Trassen dienen weiterhin dem Torfabbau.Das Ölfeld Rühle wurde 1949 entdeckt und galt bis zur Auffindung der Mittelplate 1981 als das größte Erdölfeld Deutschlands. Seine Erschließung dauerte bis in die 1950er Jahre hinein.

Bild: Kanäle und Brücken durchziehen das Moorgebiet 

Der Internationale Naturpark Bourtanger Moor-Bargerveen verläuft vom Nordosten der Niederland hinüber in den Westen von Niedersachsen und ist bei einer dünnen Besiedlung von Mooren, Heideflächen, Wasserflächen und Kanälen sowie von Landwirtschaft und Torfabbau geprägt. Irgendwo komme ich an einem Kanal auch noch an einem dieser Schiffe vorbei, die damals die Torfballen zu ihrem Bestimmungsort transportierten. Das, was ich da sehe, ist jedoch offenbar nur noch zur Erinnerung hier mit seiner Last vertäut. War bestimmt kein einfaches Leben hier.

Neugierig folge ich dem Hinweisschild, das auf einen Aussichtsturm irgendwo im Moor hinweist. Der  niederländische Teil des Bourtanger Moor heißt hier Bargerveen und besteht überwiegend aus Hochmooren. 1992 wurde der Torfabbau hier eingestellt und nun durchziehen hier ca.200 km Radwege und 30 km Wanderpfade den Naturpark. In der weitgehend nährstoffarmen Landschaft existieren verschiedene hochspezialisierte und daher gefährdete Arten

Bild: Aussicht von einem Beobachtungsturm in Bargerveen hinüber auf die holländische Seite 

Bild: Kartoffel-Ernte beim Bargerveen

Nach der lehrreichen Pause ging es wieder weiter durch die urwüchsigen, weitläufigen Flusslandschaften des Emslandes, vorbei an saftig-grünen Wiesen, violetten Heiden, Mooren und Wäldern. Immer wieder ging es über romantische Alleen vorbei an historischen Höfen und Kirchen sowie zahlreichen alten Windmühlen. Besonders letztere waren es, die das Landschaftsbild des Emslandes über Jahrhunderte hinweg prägten.

Bild: Am Tellberg in Apen (Ostfriesland)

Gegen Mittag habe ich Apen in Ostfriesland erreicht, wo ich den Tellberg suchen will. Das Navi zeigt schon seit längerem eine Höhe von -2m!!! an und ich würde mich wundern, wenn ich in dieser Gegend plötzlch auf einen Berg treffen würde. Durch die Gemeinde führen eine Reihe von Wasserläufen, die gezeitenabhängig mit der Nordsee verbunden sind. Links ab gehend von der Hauptstraße erreiche ich bald mein Ziel: "Am Tellberg" heißt die kleine Straße, die vor einem Autohaus abknickt und nur wenige Meter weit führt bis zur nächsten Querstraße, die wiederum anders heißt. Von einem Berg ist hier nirgendwo irgendetwas zu sehen. Warum die Straße ausgerechnet hier so heißt, kann mir auch keiner erklären. Etwas enttäuscht mache ich ein Selfie für die Familie und schwinge mich dann wieder in den Sattel.

Vielleicht sollte ich tatsächlich mal der Gemeinde anrufen und nachfragen, warum die Straße so benannt wurde.

Nachtrag:

Am 24.09. bekam ich dann tatsächlich eine E-Mail der Gemeinde Apen, in der es heißt, dass der Straßenname "Am Tellberg" auf eine alte Flurstück- bezeichnung zurückzuführen ist. "Die Siedlung im westlichen Teil des Ortes Augustfehn wurde in 1960er Jahren vom damaligen Gemeinderat als Baugebiet beschlossen. Im Gegensatz zu den umliegenden Moorflächen befand sich an dieser Stelle ein relativ hoher natürlicher Sandrücken. Solche Sandrücken wurden bereits in früheren Zeiten als "Berg" bezeichnet. So gibt es südlich des Ortes Apen auch den Gemeindeteil "Aperberg". Es wird vermutet dass die Bezeichnung "Tellberg" ihren Ursprung in der plattdeutschen Sprache hat. So wird auch heute noch auf plattdeutsch "Tellbarg" gesagt. Barg = Berg und Tell (telln) = zählen. Tellbarg = Zählberg. Es wird angenommen, dass auf diesem hoch gelegenen Gebiet früher die Ernte von den umliegenden niedrig gelegenen Feldern zusammengebracht und dann für den Verkauf abgezählt wurde."

Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal herzlich für die Antwort bedanken.

Bild: Am Tellberg in Apen/Ostfriesland

Die Sonne knallte an diesem Tag wieder einmal vom Himmel und als ich wenige Kilometer später dann diese Bäckerei an der Durchgangsstraße von Harkebrügge erblickte, war es endlich Zeit für eine kleine Kaffee-Pause unter der Markise im Schatten.

Das enizig spektakuläre an der folgenden doch eher uninteressanten Fahrt durch die niedersächsische Tiefebene war dann dieses Ereignis mit dem Traktor, dem ich bei Diepholz in einem Kreisverkehr die Vorfahrt gewähren musste. Ich folgte ihm auf der B214 und wunderte mich, dass da plötzlich eine große blaue Mülltüte aus der Klappe des Kippers kam und wenige Augenblicke später dann auch noch eine Holzpalette nur wenige Meter vor mir auf die Straße vor mein Vorderrad fiel. Der Traktor-Fahrer hatte offenbar nicht bemerkt, dass er wohl versehentlich die Hub-Hydraulik des Anhängers betätigt hatte und der Anhänger während der Fahrt immer höher stieg. Zum Glück konnte ich dem Kipp-Gut ausweichen und den Traktor noch überholen, um seinem Fahrer ein Zeichen zu geben, dass er anhalten müsste. Wieder einmal Glück gehabt! Wieviel Schutz-Engel habe ich eigentlich noch in Reserve? frage ich mich dann doch manchmal. 

Hinter Bückeburg stieg die Strecke in Richtung Weserbergland allmählich wieder an und wurde interessanter. Als ich dann hinter Obernkirchen dieses braune Hinweisschild auf die Dinosaurerspuren in 5 km Entfernung sehe, ist es für mich keine Frage, dem Abzweig von der meiner Route zu folgen.

Bild: Dinosaurier-Spuren bei Obernkirchen

Und ich muss sagen: Es hat sich wirklich gelohnt! Der landschaftlich schön gelegene Bückeberg mit seinem großen, geschlossenen Waldgebiet ist Teil des Naturparks Weserbergland. Inmitten des Waldes liegen die alten Sandsteingebäude des Steinbruchbetriebes, die heute als Jugend-Bildungs- und Freizeitcentrum genutzt werden. Zwar gab es außerhalb des Steinbruchs genügend Parkplätze, doch hatte ich Glück und die Schranke am Zugang zum Waldgebiet, in dem sich die Fußabdrücke befinden sollten, war offen, so dass ich mit dem Motorrad (wahrscheinlich unerlaubt!) hinein fahren konnte. Die letzten etwa 1,5 km bin ich dann aber doch noch zu Fuß durch den Wald zum Ziel gelaufen.

Bild: Hier - im Naturpark Weserbergland - sollen vor ca. 140 Millionen Jahren Dinosaurier gelebt haben.

Der Obernkirchener Sandsteinbruch ist hier einer der ältesten aktiven Steinbrüche der Welt. Seit über 1.000 Jahren wird hier Sandstein abgebaut und bereits seit dem Mittelalter europaweit geliefert. Zahlreiche repräsentative Bauwerke der verschiedenen Epochen, wie der Mindener Dom, der Kölner Dom oder der Friedenspalast in Den Haag wurden mit Sandstein aus Obernkirchen gebaut.

Bild: Info-Tafel Vom Schlamm zum Sandstein

Bild: Hinweistafel im Steinbruch

Etwa 2700 versteinerte Fußabdrücke verschiedener Dinosaurierarten befinden sich hier. Sie wurden in den Jahren 2007 und 2008 entdeckt und von Paläontologen des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover freigelegt. Die Spuren fanden sich innerhalb des 6 bis 9 Meter mächtigen Obernkirchener Sandsteins, der hier unter jüngeren Deckschichten liegt und sind etwa 140 Millionen Jahre alt. Die gute Erhaltung der Spuren beruht darauf, dass sie von Sturmsanden überlagert wurden.

Hinter dem Kamm des Wesergebirges erreiche ich Hessisch Oldendorf an der Weser, der ich in südöstliche Richtung folge. Links und rechts des Flusses, eingebettet in die sanften Hügel des Weserberglandes erreiche ich nur wenig später Hameln, in dem zwischen Aschenputtel und Baron Münchhausen der Rattenfänger zu Hause ist. Mehrere Millionen Tagestouristen zieht es jährlich hierher. Die unvergleichliche Hamelner Altstadt mit ihren Weserrenaissance- und Fachwerkhäusern und den kleinen, geheimnisvollen Gassen in Verbindung mit der geheimnisvollen Geschichte des Rattenfängers sind wahre Publikumsmagneten. Da mir hier die Preise für ein Zimmer zu hoch sind, beschließe ich etwas weiter außerhalb zu suchen und finde eine günstige Übernachtungsmöglichkeit in Emmerthal im Weserbergland.

Bilder: Dinosaurier-Spuren bei Obernkirchen

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